Wie übergibt man einen Wald? Wachwechsel im Klosterforst

Nachricht 10. April 2024

Bis Ende April geben sich Altförster Karsten Sierk und seine Nachfolgerin Imke Beck noch die Türklinke der Forstverwaltung in die Hand. Danach wird sich Sierk nach und nach in den Ruhestand zurückziehen.

O, wie schön! Alles so schön grün! – Vor unseren Füßen wogt ein leuchtendes Blättermeer im Wind. Das müsste eine gute Nachricht sein. Vor knapp zwei Jahren standen wir hier auch schon einmal. Mit einem Landesbischof, einer mehr oder minder motivierten Schulklasse, einem Haufen Spaten und Säcken voller (sehr junger) Eichen.

Mit uns die Hoffnung, aus dem Käfer-bedingten Ende der Fichten hier möge in einigen Jahrzehnten ein solider Eichen-Wald erwachsen. Das tut er auch, sagt der, der Eichen und Spaten und Pflanzwillige weiterhin unermüdlich in „seinen“ Klosterforst lockt: Karsten Sierk nickt, er ist zufrieden mit seinem Nachwuchs. Die Forst-Kollegin an seiner Seite auch. Das ist wichtig, denn der Eichen-Kindergarten steht förmlich vor der Adoption: Karsten Sierk geht nach 33 Jahren als Klosterförster Ende April in den Ruhestand. Ihm folgt Imke Beck – auf dem Papier und an diesem sonnigen Frühlingstag auf Schritt und Tritt durch den Wald.

Die Besucherin der beiden nickt nicht. Zwischen all den leuchtend grünen Mini-Birken sind die braunen Eichen-Setzlinge für Laien-Augen kaum zu erkennen. Nein, hier war nach Landesbischof und Schulklasse niemand mehr zugange. „Die Birken kommen mit dem Wind ganz automatisch“, sagt Beck und lacht. Mischwald frei Haus.

Wasser allein ist auch kein Segen

Wie übergibt man einen Wald, womöglich einen ganzen Klosterbetrieb? Da gibt es in dem pittoresk gemauerten Haus der Forstverwaltung gleich gegenüber dem Klosterbau natürlich Pläne, Tabellen und Akten. Über Hunderte Hektar Wald, über Ackerflächen, ihre Pächter und Prognosen. Über den Viehbestand am Kloster. Über den Friedhof am Kloster.

Und es gibt Tipps auf dem Weg. „Wenn Du hier lang gehst, musst Du damit rechnen, dass Dein Hund Dich nicht hört.“ Hier – das ist ein idyllischer Waldweg, der sich exakt auf der Landesgrenze zum Westfälischen eine leichte Anhöhe hochschiebt. Grasbewachsen und es könnte so schön sein – wenn über unseren Köpfen nicht ein ums andere Mal ein Hubschrauber der Bundeswehr seine Kreise drehen würde. Der Übungsplatz der Bundeswehr liegt gleich nebenan.

Verständnisprobleme mit Vierbeinern sind (auch) hier aber nicht das eigentliche Problem. Seit 2018 hat die Normalität auch im Klosterforst Loccum ein Ende. Das ist im Vergleich zur 800-jährigen Geschichte des Klosters ein geradezu winziges Zeitfenster, aber ein anstrengendes. Für die Bäume, die sich Stürmen, Käfern, Dürre und Wassermassen unterwerfen müssen. Und für die Menschen der Forstverwaltung, die jedes Jahr einen neuen Weg suchen müssen. Neue Entscheidungen treffen müssen, deren Auswirkungen vielleicht ihre Enkelgeneration wird überprüfen können. „Was wissen wir denn schon, welche Wetter- und Grundwasserverhältnisse hier in 30, 40 Jahren herrschen“, sagt Beck. Entscheiden, was sie pflanzen soll, muss sie aber jetzt.

Und während wir zu dritt durch den Wald schreiten, weisen die beiden Profis mal hier, mal dort auf die untrüglichen Zeichen des Klimawandels. „Die Buchen haben in den vergangenen Jahren in einem sehr hohen Maß Früchte abgeworfen“, sagt Sierk. Als ahnten die Bäume, dass ihre Zeit gekommen sei. „Doch die hohe Aussaat hilft nicht wirklich. Denn in so kurzer Zeit konnten sich die Bäume genetisch nicht an die veränderten Begebenheiten anpassen.“ In 40 Jahren, ergänzt Beck, sei es mit den Buchen als Hauptbaumart zu Ende, „wenn die Entwicklung so weiter geht“. Zu heiß, zu wenig Wasser oder eben zuviel. Jedenfalls nicht so, dass es die Buche damit aushalten könnte.

Die Vielfalt lockt

Für Imke Beck sind diese Erkenntnisse weder neu noch überraschend. Was hoch oben in Loccum zu sehen ist, ob bei den Douglasien mit sichtbaren Nadelschäden oder den triefendnassen und deshalb nicht zu befahrenden Waldböden mit darin verrottenden Stämmen, das kennt sie auch aus ihrem bisherigen Wirkungsgebiet. Für die Stiftung Schönau im Raum Heidelberg war die inzwischen 31-jährige Försterin bislang insbesondere für den Wald zuständig. „Und für die Jagd.“

Nach Loccum gelockt hat sie die Vielfalt des Klosterbetriebs. Der Viehbestand oder der Friedhof, der neben dem Forst und der Ackerfläche zum Betrieb gehören, sind für Beck Neuland. Hier wird sich Karsten Sierk für eine gewisse Übergangszeit noch an ihre Seite stellen. Gleichwohl kehrt sie mit dem Wechsel gewissermaßen in ihre Heimat zurück. „Ich stamme eigentlich aus dem Raum Hildesheim – meine alten Kollegen in Heidelberg meinen deshalb, ich sei ja jetzt wieder zuhause.“

Rebekka Neander / EMA